Zwischen Höhenmetern und Lachanfällen: Mein Erfahrungsbericht vom Heilbronner Weg

09.01.2025 | Berge, Wandern

Der Heilbronner Weg gehört zu den bekanntesten und beeindruckendsten Höhenwegen der Alpen. Mit seinen spektakulären Felsformationen, luftigen Passagen und atemberaubenden Aussichten ist er ein absolutes Highlight für Bergliebhaber:innen. Ich hatte letztes Jahr das Glück, den Heilbronner Weg mit der Alpinschule Oberstdorf erleben zu dürfen – ein Abenteuer, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

2024 war noch dazu ein ganz besonderes Jahr, nicht nur für mich, sondern auch für diese einmalige Route, denn der Heilbronner Weg feierte sein 125-jähriges Jubiläum. Es war daher ein Privileg, auf den Spuren von Generationen von Bergwander:innen zu wandern und die Geschichte dieses Weges hautnah zu erfahren.

Iris Slappendel 📸 Vanessa Blankenagel

Tag 1: Frisch betankt ab in die Berge – Aufstieg zur Rappenseehütte

↑ 1130 Hm | 4 Std. | 8 km

Es ist 11 Uhr, als unsere 7-köpfige Wandertruppe in Oberstdorf in den Bus steigt und Richtung Birgsau aufbricht. Die Berge, die sich während der Fahrt immer mehr vor uns auftürmen, versprechen schon jetzt eine besondere Wanderung. In Birgsau angekommen, schlängelt sich unser Weg vorbei am Gasthof von Einödsbach, der südlichsten Siedlung Deutschlands, Höhenmeter für Höhenmeter nach oben – ein kurzes Stückchen auf einem Forstweg und weiter auf schmalen, hübschen Wanderwegen. Umgeben von saftig grünen Hängen, schattenspendenden Bäumen und majestätischen Gipfeln, können wir vor Glück kaum glauben, dass wir uns wirklich inmitten dieser Postkartenlandschaft bewegen. Über uns strahlt ein blitzblauer Himmel, der die Farben der Natur nur noch intensiver leuchten lässt. Nach der ersten schweißtreibenden Etappe erreichen wir die Petersalpe, die innerhalb dieser üppigen Bergkulisse wie eine kleine Oase wirkt. Keine Frage, dass wir hier den ersten Stopp einlegen – Zeit für Kaffee und ganz besonders leckeren Kuchen, den Benedikt, unser Bergwanderführer (UIMLA), ganz groß feiert!

„Frisch betankt mit Ethanol und Pfefferminz-Snooze” geht es für unsere lustige und bunt gemischte Truppe weiter. Auch wenn eine breite Altersspanne vertreten ist, spielt das im schnell geknüpften und sich gegenseitig unterstützenden Verbund keine große Rolle. Die Sonne verwöhnt uns mit ihrer wohltuenden Wärme und Energie, weshalb sich unser Trüppchen bereit fühlt, die anstehenden Höhenmeter bis zur Rappenseehütte auch noch zu meistern.

Wo „Not“ herrscht, ist Rettung nicht fern: Als die Sonnenenergie nicht mehr ausreicht, springt Timo als Retter in der Not ein und spendet Regina einen für sie unvergesslichen Energie-Boost. Seine Geheimwaffe, ein Sportgel mit Zitronengeschmack, kommt zwar nicht so gut an, weil es mit Reginas eigenen Worten „einfach nur widerlich, ekelhaft und pappsüß schmeckt”, aber immerhin hat das „Zeugs, das Timo ihr da angepriesen hat” am Ende trotzdem für den nötigen Energieschub gesorgt.

📸 Vanessa Blankenagel
📸 Vanessa Blankenagel

Die Wettervorhersage hatte uns schon vorgewarnt: Mit einem Mal ziehen dunkle Wolken auf, ein frischer Wind setzt ein und wenige Minuten später hören wir lautes Donnern. Ein etwas mulmiges Gefühl hat der eine oder andere dann doch, aber ein paar Regentropfen später können wir unsere Regenjacken auch schon wieder verstauen. Das war tatsächlich halb so wild – Hut ab vor Bene’s guten Riecher! Mit der Sonne im Rücken wandern wir weiter durch die alpine Landschaft und hinauf zur Rappenseehütte. Die letzten Höhenmeter verlangen uns nochmal alles ab, aber als wir schließlich die Hütte erreichen, werden wir mit einem Ausblick belohnt, der all die Mühen wert war. Denn die Rappenseehütte liegt wie ein Adlernest über einem Bergsee, eingerahmt von steilen Felswänden und endlosen Bergketten – einfach atemberaubend!

Nach einer kurzen Schuhputzaktion gönnt sich jeder eine heiße Dusche und etwas Ruhe, bevor wir uns beim Abendessen und dem gemütlichen Teil des Tages wiedertreffen. Dort erwarten uns nicht nur köstliches Essen (!), sondern auch jede Menge Lachanfälle. Ja, in einer Sache sind wir uns einig: Alles ist besser als der Schuhraum!

Der lauteste Tisch mit dem meisten Gelächter, zu denen sich der eine oder andere umdreht? Das ist eindeutig unserer! „Schmeckt wie Buttermilch!?“, „Ist ja auch Buttermilch!” und ähnliche Unterhaltungen sorgen für wahre Lach-Flashs. Und ja, „Butter muss sein!” lautet unser Motto des Abends, der mit roter Grütze („gesund, weil Obst“) endet.

Ein gelungener erster Tag voller Höhen und Tiefen, im wahrsten Sinne des Wortes!

Tag 2: Über die Socktalscharte zum Waltenberger Haus – Steinböcke, Nebel und Spaß

↑ 560 m, ↓ 580 m | 4,5 Std. | 6,5 km

Um kurz nach 7 Uhr steht unser Wandertrupp vor der Rappenseehütte und ist bereit zum Abmarsch – warm eingepackt und voller Vorfreude. Der Tag beginnt mit einem kurzen Aufstieg und schon am ersten Fotostopp bleibt uns die Luft weg! Nicht, weil wir ein Haufen Luschies sind, sondern weil eine riesige Herde Steinböcke, nicht weit von uns entfernt, versammelt ist. Wir schauen uns bewundernd um. Majestätisch thront ein alter Steinbock auf einem Felsen und mustert uns scheinbar ebenso neugierig. Als er seinen Platz freigibt, springt ein junger Steinbock an dessen Stelle und man könnte fast meinen, als würde er „den alten Weisen“ nachahmen. Die Szene ist zu ulkig, um die friedliche Stille nicht mit Lachen zu brechen.

Unsere Wanderung führt uns weiter über Altschneefelder und hinauf zur Großen Steinscharte. Hier spüren wir die wilde Schönheit der Berge in ihrer ganzen Pracht. Der Nebel und leichter Nieselregen verleihen der Szenerie eine mystische Atmosphäre. Wir kraxeln über kaltes, nasses Felsgestein, doch das tut der Stimmung keinen Abbruch. Den Gipfel des Hohen Lichts lassen wir heute aus, stattdessen schreiten wir direkt durch das bekannte Heilbronner Törle und klettern die Eiserne Leiter hinauf. Eingehüllt in unsere wärmsten Schichten, folgen wir dem abwechslungsreichen Pfad, der immer wieder unsere Aufmerksamkeit erfordert, bis zur Socktalscharte.

Aufgrund der Bedingungen und Erfahrungen der Gruppe steigen wir dort ab. Doch auch hier wird nochmal unsere volle Konzentration gefordert: Auf lockerem Geröll geht es hinunter. Bene, fürsorglich wie eh und je, bereitet Tritte für die Gruppe, sodass jeder heile unten ankommt. Nach einer kurzen Pause und dem einen oder anderen Späßchen können wir bereits unser heutiges Etappenziel, das Waltenberger Haus, sehen! Wie bunte Smarties bewegt sich die Gruppe, Mann für Mann, Frau für Frau und Rucksack für Rucksack entlang der Felswand entlang. Die Konzentration ist ein letztes Mal hoch, bis uns eine in Bronze gegossene Steinbockfigur erlöst, dafür Streicheleinheiten erhält und nicht zuletzt die Vorfreude auf ein heißes Getränk und eine leckere Mahlzeit schürt. Die letzte Verführung des Tages steht bereits kurz darauf auf dem Tisch: heiße Schoki mit Sahne und dazu ein überaus schokoladiger Schokoladenkuchen – was will Mann (und erst recht Frau) mehr!

Weil wir die heutige Route anpassen mussten, bleibt genug Zeit für Spiel und Spaß. Im Labyrinth und beim Eselsrücken-Stackspielen vergeht der Nachmittag wie im Flug – etliche Verwirrungs-, Verzweiflungs- und Lachanfälle inbegriffen. Als die Sonne dann langsam hinter den Gipfeln versinkt, lockt uns der Sonnenuntergang auf die große Holzterrasse. Umgeben von beeindruckenden Felsformationen und in bester Gesellschaft klingt der Tag aus. Momente purer Erfüllung inmitten der Allgäuer Berge!

Tag 3: Abstieg vom Waltenberger Haus nach Birgsau

↓ 1100 Hm | 3,5 Std. | 6,5 km

Um 8 Uhr morgens bricht unsere Gruppe auf und verlässt das Waltenberger Haus, das zu der Uhrzeit noch über den Nebelwolken thront. Der Abstieg steht an, doch die Schönheit der Landschaft macht den letzten Tag keineswegs weniger spektakulär.

Durch das wilde Bacherloch führt der Weg ins Tal. Der Abstieg wird begleitet von beeindruckenden Wasserfällen, kristallklaren Bachläufen und einer Natur, die uns ein letztes Mal verzaubert. Sattgrüne Wiesen mit hohen Gräsern und einer bunten Vielfalt an Blumen bieten ein Kontrastprogramm zum grauen Gestein.

Jeder Schritt führt uns tiefer hinunter. Ein letztes Mal geht es durch die friedliche und reiche Einsamkeit der Berglandschaft. Einsaugen und Genießen heißt es! Schließlich erreichen wir Einödsbach. Bei einer kurzen Pause werfen wir einen letzten, dankbaren Blick in Richtung der Bergwelt, in der wir uns die letzten Tage bewegt haben.

Fast von allein tragen uns unsere Füße bis zur Alpe Eschbach, wo wir einkehren, um gemeinsam einen gelungenen Abschluss der Tour zu feiern. Umgeben von einer malerischen Kulisse lassen wir die vergangenen Tage Revue passieren. Die Stimmung ist gelöst und erfüllt von einem Hauch Wehmut, denn in Oberstdorf trennen sich unsere Wege. Bereichert um unvergessliche Erlebnisse und dankbar für die Gemeinschaft, die uns durch die letzten Tage getragen hat, verabschiedet sich die Gruppe voneinander!

Fazit: Vom Traum zum Tun 

Tausend Dank an jeden und jede Einzelne:n dieser fröhlichen Truppe – schon lange habe ich nicht mehr so viel in so kurzer Zeit gelacht. Vielen lieben Dank auch an Bene, der mir als erfahrener und herzlicher Guide so viel gezeigt, erklärt und sämtliche Erfahrungen mit mir geteilt hat. Ganz besonders möchte ich mich auch bei Andreas Tauser, Lenny und Jere von der Alpinschule Oberstdorf bedanken, die mir das Ganze überhaupt ermöglicht haben – das vergesse ich euch nie! 

Wer es genauer wissen will: Seit Jahren wächst in mir die Idee und der Wunsch, Bergwanderführerin zu werden – nur war ich mir immer noch etwas unschlüssig: Ist es wirklich das Richtige für mich? Macht mir das überhaupt Spaß? Habe ich Freude an der Führungsaufgabe? Deshalb habe ich das Gespräch mit Andreas gesucht. Er fand: Machen ist besser als drüber nachzudenken. Und so kam es, dass ich bei der Tour mit dabei war und (kleiner Spoiler) danach meine Entscheidung so klar war wie nie zuvor!*

*Wie es weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Blogbeitrag 🙂

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